Leben mit den Urlis: Ein wichtiger Punkt in meiner Kurzbeschreibung auf Instagram, ebenfalls ein fester Bestandteil in meinen Highlights. Auf keine Story bekomme ich so viele Herzen, vor Rührung weinende Emoticons, oder Nachrichten mit Liebe gefüllter Worte. Meine Großeltern erfreuen jedes Mal viele Menschen, wenn ich sie glückselig oder selbst gerührt vor Liebe mit Levi, ihrem Urenkel, meinem Sonnenschein, Zeit verbringend zeige.
Ich lebe mit meinen Großeltern in einem großen Zweifamilienhaus, einer ehemaligen Bäckerei, seit knapp fünf Jahren zusammen. Über den gemeinsamen Hof dauert es keine 10 Sekunden, schon bin ich bei ihnen, setze mich zum Jausnen an den Tisch dazu und klaue meiner Oma ein Stück liebevoll zubereitetes Schinkenbrot, oder wohl eher dem Opa, denn er verweigert leider immer öfters das Essen und versucht es mir unterzuschieben. In diesem kurzen Augenblick fühle ich mich wieder wie ein kleines Kind glücklich umsorgt und lasse für einen Moment außer Acht, dass das nicht mehr der Fall ist, denn leben mit den Urlis ist nicht immer nur schön, glücklich, unbeschwert und schon lange bin nicht mehr ich es, die umsorgt wird. Es ist nicht immer nur das, was man auf Instagram zu sehen bekommt und in den Highlights gespeichert wird.
Leben mit den Urlis ist so viel mehr. Es ist auch ein oftmaliger Generationenkonflikt, es ist ein Unverständnis darüber, dass man sich nicht so freut, wenn Opa sich mit einem Sessel vor das Schlafzimmerfester setzt, nur um sein, mittlerweile erwachsenes, Enkelkind zu sehen, es ist ein ständiges Mitbekommen von Beschwerden, Vergesslichkeit, Pflegerwechsel, Schmerzen und Lebenseinstellungen und Ansichten, die für mich sehr schwer zu verstehen oder nachzuvollziehen sind.
Es ist ganz viel Liebe und trotzdem auch Traurigkeit und oft blanke Nerven bei allen Beteiligten. Was mich oft am traurigsten macht, ist meine Mutter zu beobachten, wie sie voller Geduld und Hingabe ständig für beide da ist und selbst auf so viele Arten und Weisen zu kurz kommt, wie fertig und müde sie oft ist und trotzdem zu jeder Tages- und Nachtzeit auf Abruf bereit steht. Egal ob für einen Anruf und das Herbitten spät abends, weil der Blutdruck zu hoch ist oder die Bitte während der Arbeit unbedingt jetzt die Einlagen von den Sommerschuhen in die Winterschuhe zu geben. Meine Mama ist immer zur Stelle, ja auch für mich, Kollegen oder anderer Anliegen von Freunden, nur nie für sich selbst.
Beide Großeltern sind über 80 und hatten kein leichtes Leben.
Mein Opa hat Alzheimer, friert ständig, ist gebrechlich und man muss um jeden Bissen, den er macht um bei Kräften zu bleiben, kämpfen, aber der pensionierte Bäckermeister ist friedlich, der liebenswerteste Mensch, den ich kenne und voller Liebe zu mir, Levi und natürlich dem Hund. Wir sind sein Lebensinhalt, sagt er immer. Wenn ich zu Besuch bin, wird ein V für Vreudentag im Kalender notiert, seine Wortkreation, wo sich Verena und Freudentag trifft.
Meine Oma ist leider unzufriedener, beziehungsweise wird es mit jedem Tag schwieriger. Sie hat ihr ganzes Leben nur gearbeitet. In ihrer Jugend im familieneigenen Gasthaus samt Landwirtschaft, dann nach der Heirat in der eigenen Bäckerei. Nachts in der Backstube, am Tag im Verkauf, nebenbei bekam sie meine Mama, pflegte Obst- und Gemüsegarten mit Sorgfalt, baute ein Haus gemeinsam mit der Familie um und schlussendlich kümmerte sie sich dann auch noch um mich, als meine Mutter relativ schnell wieder arbeiten ging. Sie hat permanent Schmerzen, eine ruinierte Wirbelsäule, ständig enorm hohe Blutdruckschübe und man hat das Gefühl, dass nichts in der Welt ihr noch Freude bereiten könnte. Sie ist oft traurig, frustriert, wütend auf all das, was sie im Leben verpasst hat, was sie meint, anders machen hätte sollen und am meisten macht sie es fertig, dass sie ihren Haushalt nicht mehr selbst führen kann, dass sie für alles Hilfe braucht und zusehen muss, wie andere „ihre Dinge“ erledigen und das bei Weitem nicht zu ihrer Zufriedenheit.
In dem Fall kommt die Pflegerin ins Spiel. Meine Großmutter hat hierbei jedoch das Problem IHREN Haushalt und IHRE Arbeit abzugeben. Immerhin macht es keine so gut, wie sie es immer selbst getan hat. Meine Mutter kommt ihr da noch am nächsten, deshalb hätte auch meine Oma gerne, dass alles sie erledigt. Auch wenn es mich oft wütend macht, kann ich dies doch ein wenig verstehen.
Meine Mama ist vollberufstätig und verbraucht den Großteil ihrer Urlaubstage für Arztfahrten oder andere Erledigungen. Wann meine Mutter das letzte Mal auf Urlaub war, weiß ich nicht mehr, wann sie einen Tag frei hatte und nur für sich nutzen konnte, fällt mir ebenfalls nicht ein. Meine Mama ist in diesem Fall eine echte Heldin, so stark und geduldig und trotzdem oft nervlich fertig am Ende des Tages, einfach aufgebraucht und müde. Meine Heldin und mit Sicherheit auch die Heldin meiner Großeltern.
Mit der Aktion hat Bipa etwas ganz Großes gestartet, denn es werden genau solche Heldinnen und Helden wie meine Mama gesucht, die oft unter großem Verzicht eigener Wünsche und Bedürfnisse Angehörige oder andere nahestehende Menschen zu Hause pflegen. So war es immer der Traum meiner Mama einmal nach Marrakesch zu reisen, doch Zeit und Geld fließt in die Pflege meiner Großeltern. Nicht nur BIPA möchte Danke sagen, sondern auch ich. Ich möchte mich bei meiner Mama bedanken, dass sie sich mit so viel Liebe und Geduld um meine Großeltern und Levis Urgroßeltern kümmert und das obwohl es oft wirklich nicht leicht ist. Ich möchte sagen, dass es ohne sie, vielleicht beide nicht mehr gäbe und dass mir bei diesem Gedanken, das Herz in tausend Stücke zerbricht. Der Tag wird kommen und er wird einer der traurigsten in meinem Leben sein, jedoch weiß ich, dass meine Großeltern unendlich glücklich darüber gewesen sein werden, eine Tochter wie meine Mama gehabt zu haben, eine Heldin.
Mitmachen können Personen die einen oder mehrere Menschen privat pflegen und sich selbst einen Herzenswunsch erfüllen möchten. Es besteht aber auch die Möglichkeit, Personen zu nominieren, die privat jemanden pflegen und diese mit ihrem Herzenswunsch zu überraschen und ihren Einsatz zu honorieren. Die Teilnahme ist von 25.11.2019-10.01.2020 möglich. Die Gewinner werden bis Ende Jänner verständigt.
Insgesamt werden Herzenswünsche im Gesamtwert von bis zu 30.000 EUR, sowie BIPA Gutscheine im Wert von insgesamt 5.000 EUR verlost.
Ich werde jetzt selbst meine Mama nominieren und vielleicht erfüllt sich ja ihr Herzenswunsch, verdient hätte sie es genauso, wie all die lieben Menschen, die es kennen, jemanden zu pflegen.
In freundlicher Zusammenarbeit mit Bipa.
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